Studie zur Kommunalpolitik am Fallbei(l)spiel "Stadtzerstörung und Stadtentwicklung in Duisburg"
Roland Günter
-ein Buch, das von Seiten zu lesen ist-
Band 18 der Schriftenreihe "Einmischen und Mitgestalten" des dwb NW
1980
beendeten Minister Christoph Zöpel und Karl Ganser die milliardenteure
Zerstörung vieler Altstädte in NRW. Dann gab es 25 Jahre lang Respekt
vor Menschen und Bauten: keine Flächen-Abrisse mehr. Aber nun macht
sich das Rathaus in Duisburg im einem anachronistisch grobianistischen
Denken der 1970er Jahre erneut ans Werk, sich selbst zu zerstören:
Menschen in großer Zahl, zwischen 3.000 und 4.000, zu vertreiben ,
ihre sozialkulturelle Lebenswelt, Geflechte und Baudenkmale zu
sprengen.
Das
Buch untersucht diese umfangreiche Stadtzerstörungs-Politik in
Stadtteilen Duisburgs: den breit angelegten Gürtel um das Stahlwerk
ThyssenKrupp in Bruckhausen und Marxloh mit seinen geplanten und schon
realisierten Abrissen. Es analysiert diesen dramatischen Vorgang.
Das
Ruhrgebiet hat eine Perlenkette von industriekulturellen Denkmälern.
Das bedrohte Bruckhausen ist in der Metropole Ruhr das einzige Beispiel
eines städtebaulichen industriekulturellen Biotops. Das bedrohte
Marxloh ist eine kleine „Stadt in der Stadt“, deren städtebauliche
Qualitäten bislang unentdeckt sind und die ebenfalls gefährdet ist. Für
ein Outlet Center soll die Max-Taut-Siedlung am Zinkhüttenplatz mit
ihren 400 Wohnungen für 1.000 Menschen dem Erdboden gleichgemacht
werden – ein weiterer kultureller Skandal: Sie wurde von dem
weltberühmten Architekten Max Taut errichtet – als gelungenes
Experiment, das in einfallsreicher Weise versuchte, den
Massenwohnungsbau menschlich zu machen.
Das
Buch setzt sich mit vielen Themen der Stadt-Kultur auseinander. Mit den
Vorurteilen des Südens gegen den Norden von Ruhr und deren Folgen:
Herunter geredet werden ganz normale Vorstadt-Bereiche, die nicht
anders sind als in Frankfurt, Hamburg, München und Karlsruhe, aber
durch die Industrie sogar durch Vielfältigkeit eher interessanter. Das
unbegründete und hinterhältige Vorurteil wird gesteigert durch
Aversion gegen Zuwanderer im Norden.
So
führt ein gestörter Tatsachen-Sinn zu einer „Stadtplanung mit
Phantomen“. Die Methode eines illusionären „Wünsch-dir-was“ ignoriert,
daß die Zerstörungspläne Milliarden kosten würden – aber es diese
Finanzen in der hoch verschuldeten Stadt überhaupt nicht gibt und also
fahren die Pläne gegen die Wand. Aber weil erst mal drauflos zerstört
wird, kommen viele Menschen, auch schöne Häuser und Straßen sowie
Baudenkmale zwischen die Baggerzähne.
Aus
einer nachlaufenden und unverarbeiteten Mentalität des Krieges mit
seinen Flächen-Zerstörungen entstand ein Allmachtswahn der Planer.
Sprache wird zur Täuschung benutzt: „Rückbau“ und „Stadtumbau“ für
vandalierenden Abriß. EU-Geld wird erschlichen und mißbraucht: statt
zur Verbesserung zur Zerstörung. Der Anstifter, ThyssenKrupp, hält sich
im Dunkeln. Er gab 35 Millionen Euro – für ein Stück grüne Brache, die
weder ihm noch der Stadt nutzt. Die Bewohner werden herausgelockt oder
terrorisiert, aber nicht gefragt.
Ignoriert
werden die Chancen des Duisburger Nordens: daß es ein Bereich
gelungener Integration von türkischen Zuwanderern ist. Dies wurde
jedoch nicht durch die Obrigkeit geleistet, sondern von den Bewohnern
selbst organisiert. Es kann als Modell-Fall gelten.
Wenn
man das Buch umdreht, kann man auf 42 Seiten einen Gegenentwurf zur
infamen Stadtpolitik lesen – eine Vision, die weise Handelnde
realisieren könnten.
Helmut
Mattern: „Das Buch ist so spannend, daß ich nicht mehr davon loskam und
es in einer Nacht durchgelesen habe.“ Für kritische Planer und Bürger,
die mitsprechen wollen, liegt hier ein Standardwerk vor. Ein Lernbuch
auch für Hochschulen.
Für die Stadtpolitik kann es zum Alptraum werden, wenn sie nicht aufhört, Stadt zu zerstören.