Jochem Ahmann ist empört. Und dieser Empörung macht er - als Vorstandsmitglied des Werkbunds NRW - auch Luft.
Der
respektlose Umgang mit der Kunst in Bochum sei Besorgnis erregend,
lässt er die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz in einem Offenen Brief
wissen und spricht sogar von „andauerndem Barbarentum“.
Anlass seiner
Einmischung ist der „klammheimliche Abriss“ einer Arbeit von
Otto-Herbert Hajek im Schulzentrum Wiemelshausen. Für Ahmann „ein
Kunstskandal erster Güte“. Auch andere Werke im öffentlichen Raum seien
bedroht. Eine Morellet-Arbeit wurde bereits abgebaut, Plastiken von
Friedrich Gräsel stehen offenbar einem neuen Justizgebäude im Wege.
Offener Brief an die Oberbürgermeisterin
Weiterleitung zu einem externen Link: 2010lab.tv
vom erschreckenden Umgang der Stadt mit Skulpturen im öffentlichen Raum
-Autorin Marion Leske; Informationsdienst KUNST-
Jochem
Ahmann ist empört. Und dieser Empörung macht er - als Vorstandsmitglied
des Werkbunds NRW - auch Luft. Der respektlose Umgang mit der Kunst in
Bochum sei Besorgnis erregend, lässt er die Oberbürgermeisterin Ottilie
Scholz in einem Offenen Brief wissen und spricht sogar von „andauerndem
Barbarentum“. Anlass seiner Einmischung ist der „klammheimliche Abriss“
einer Arbeit von Otto-Herbert Hajek im Schulzentrum Wiemelshausen. Für
Ahmann „ein Kunstskandal erster Güte“. Auch andere Werke im öffentlichen
Raum seien bedroht. Eine Morellet-Arbeit wurde bereits abgebaut,
Plastiken von Friedrich Gräsel stehen offenbar einem neuen Justizgebäude
im Wege. „Verhindern Sie weitere Zerstörungen!“ lautet sein Appell an
die Stadtspitze. Ahmann befürchtet, dass „durch bewusstes
Verfallenlassen Tatsachen geschaffen werden“ und lässt auf Nachfrage
auch durchblicken, wer die „Übeltäter“ sind. In engem Zusammenspiel
hätten Kulturdezernent Michael Townsend und Museumschef Hans Günter
Golinski den Hajek-Abriss vorangetrieben.
Das
mag man kaum glauben. Aber Golinski bestätigt im Gespräch mit dem
Informationsdienst Kunst tatsächlich: „Ich war am Entscheidungsprozess
beteiligt.“ Freilich erklärt er die Sache damit, dass es sich bei der
Hajek-Arbeit um das „Überbleibsel eines Gesamtkunstwerks“ handelte, das
nach baulicher Veränderung des Umfelds „nicht mehr funktioniert“ habe.
Golinski: „Hajek entwarf
seine ortsspezifische Skulptur aus Billigbeton samt flankierender
Wandgestaltung für einen Komplex von drei Schulen, von denen nur noch
ein Schultyp existiert. Die ursprüngliche Situation, für die das Werk
geschaffen wurde, stimmt nicht mehr.“ Juristisch gesehen ist die
Demontage erlaubt: Ein Kunstwerk darf ungestraft zerstört, aber – hier
greift das Urheberrecht - nicht verändert werden.
In
Bochum geht es indes längst nicht mehr um Hajek allein, sondern – aus
Sicht Golinskis - „um Segen und Fluch des Erbes Kunst im öffentlichen
Raum“ bzw. die Frage: „Wie gehen wir damit um?“ Glücklicherweise, so
sagt der Museumsleiter, habe die in der Lokalpresse geführte Debatte
„Sensibilität geweckt.“ Doch das wird nicht reichen, um den in Bochum
bestehenden Restaurierungsstau zu beseitigen. Die Stadt – sie soll über
rund 400 Kunstwerke im öffentlichen Raum verfügen - ächzt unter einem
Nothaushalt, der kostspielige Maßnahmen zum Erhalt von Kulturgut
ausschließt. Und Translozierungen – oft die einzige Rettungsmöglichkeit –
gehören dabei zu den teuersten Optionen. Müssen wir uns daran gewöhnen,
dass manches nur temporären Bestand hat? Dass nachfolgende Generationen
sich von den ästhetischen Vorstellungen der vorhergehenden
verabschieden und manche Erzeugnisse außer Sichtweite verbannen möchte?
Hier sieht Golinski Diskussionsbedarf auf höchster Fachebene. Ein für
den Herbst geplantes Symposion soll sich sowohl „mit der Vergangenheit
befassen als auch im Blick haben, was an Neuem entsteht.“ Immerhin sei
in den 70er und 80er Jahren auch viel „Wildwuchs“ entstanden. Vor allem
gelte es, mehr für die Vermittlung dieser Kunst in der Bevölkerung zu
tun. Er selbst setze sich zudem für eine bessere Kommunikation zwischen
den Ämtern ein, um vorschnelle Vernichtungsaktionen zu verhindern. Für
ein entsprechendes Gremium mit Vertretern der Stadt habe er jüngst
externe Experten wie die Brüder Maik und Dirk Löbbert gewinnen können.
Hat
eigentlich in puncto Akzeptanz „Ruhr 2010“ etwas bewirkt? Und der
jahrezehntelang umkämpfte „Terminal“ von Serra, ist er nicht ein Stück
Bochumer Identität geworden? Alexander von Berswordt, einst
Inhaber der Galerie m in Bochum und nach wie vor Vertreter Richard
Serras in Europa, muss es wissen. „Die totale Anfeindung der
Serra-Skulptur – übrigens der früheste Serra-Erwerb im öffentlichen Raum
weltweit – ist vorbei,“ erklärt er. „Erschreckend ist aber, dass solche
Kunst nicht von den Zuständigen besser gepflegt und bildungspolitisch
vermittelt wird.“ Die Morellet-Arbeit beispielsweise („ihr Wert liegt
heute bei 500.000 Euro!“) sei schon lange „in katastrophalem Zustand“
gewesen.
Die
Beteuerungen Golinskis hält von Berswordt schlichtweg für
„unglaubwürdig“ und kritisiert dessen Vorhaben als „leeres Gerede“.
Berswordts Vorwurf: „Es wird nichts getan!“ Die große Dichte von Kunst
im öffentlichen Raum erfahre von Seiten der Verantwortlichen keine
Wertschätzung, im Falle veränderten Umfelds fände eine konstruktive
Suche nach alternativen Standorten nicht statt. Er selbst würde „alles,
auch Volkstümliches, erhalten“ , denn: „Wer Kunst zerstört, zerstört
immer auch ein Stück Mensch.“
les