[Der
nachfolgende Text wurde zum 20-jährigen Bestehen der Siedlung gehalten,
2013 konnte schon das 30-jährige Jubiläum gefeiert werden]
Der neue Planungsdezernent von Oberhausen, Dr.
Hans Otto Schulte, aus Gaggenau gekommen, hatte kurz nach 1980 die Idee,
eine Werkbund-Siedlung zu bauen. Sie sollte ein Beitrag zum Umbruch in
Ruhr sein.
Das Grundstück hat hohen Symbol-Charakter. Es liegt
neben dem Ufer der Ruhr. Dieser Fluß war im 18. Jahrhundert ein
Welthandels-Weg. Die Schiffe brachten die Kohle aus dem Tal der Ruhr, wo
sie zum Teil zutage trat, zum Rhein und weiter an den Oberrhein und
vor allem zur holländischen Städtekette.
Die Zeche Alstaden war
schon seit einiger Zeit geschlossen. Die Gebäude wurden abgerissen. Es
gab Hoffnungen nach neuer Nutzung. So fiel Schultes Idee, eine
Werkbund-Siedlung anzulegen, auf halbwegs fruchtbaren Boden.
Experimentell war zunächst die Idee, dies mit einer Genossenschaft zu
tun. Es fand sich ein Kreis von Einheimischen, der sich organisierte.
Schwierigkeiten gab es zuhauf. Aber Otto Schulte biß sich durch.
Die Idee, die der Architekt Werner Ruhnau von einem kurz zuvor
gescheiterten Versuch in Essen mitbrachte, war vielen Beteiligten und
dem Stadtparlament fremd. Aber Schulte schuf mit Enthusiasmus und
Überzeugunngs-Kraft in vielen Anläufen Akzeptanz. Ruhnau hatte in Ruhr
einen Namen – trotzdem war es schwierig.
Schließlich kaufte die Stadt die Genossenschafts-Anteile.
Ein Kreis von Werkbund-Architekten plante einen kleinen Stadt-Bereich.
Ein Platz. Die Idee einer Art Mauer, die Ruhnau – ein bißchen
unsemantisch – „Stadtmauer“ nannte, mit einer Art offiziellem Gesicht
und im rückwärtigen Bereich eine große Variabilität an Formen. Über
die Krone der „Stadtmauer“ führt ein Weg: erstmal als Zugang zu
Penthouse-Wohnungen, dann auch zum Erleben des Viertels aus der Höhe.
Eine Brücke sollte diesen Gebäude-Komplex mit dem zweiten verbinden.
Ruhnau sagte Partizipation an. Dies wurde für alle Seiten schwierig.
Den Architekten erschien es als zuviel an Einrede in ihre Autokratie,
die Genossenschaftler hatten das Problem, damit vernünftig umzugehen –
auf Egomanien zu verzichten.
Das Projekt wurde durchgeführt –
trotz vielerlei Streit. Ruhnau sagte, bei einem Experiment, das für ihn
ein Spiel ist, kann man den Ausgang nicht im vornherein festlegen, man
muß akzeptieren, was daraus wird. Das Kriterium der Partizipation ist
wohl das Interessanteste am Projekt – gerade weil es viel kritisiert
wurde. Aber es steht für die Mitwirkungswünsche eines bewegten
Jahrzehnts und für den Mut, dies zu wagen.
An der auffallendsten
Stelle, wo auf dem schwierigen Eckgrundstück längere Zeit niemand bauen
wollte, errichtete sich ein später hinzukommender Bauherr eine Art
mittelalterliche Burg – mit frecher Werkbund-Ferne. Dies wurde dann dem
Werkbund nicht wenig um die Ohren gehauen – bis dahin, daß der damalige
Werkbund-Vorsitzende Werner Schriefers die Siedlung abstufend zu einem
Nicht-Werkbund-Projekt deklarierte.
Als späterer Vorsitzender
des Werkbunds hob ich 2010 das Verdikt von Schriefers auf und erklärte
mit Begründungen, die vor allem Walfried Pohl lieferte, daß dies doch
eine Werkbund-Siedlung ist.
Offensichtlich läuft keine Werkbund-Siedlung ohne Kontroverse.
Die Genossenschaft feierte im Juli das 20jährige Jubiläum. Ruhnau und
Schulte brachten auf dem Platz vor dem Genossenschaftshaus auf einem
niedrigen Postament eine Tafel an.