Zur Gedenkplatte der Werkbundsiedlung am Ruhrufer

am 20. Juli 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Werkbundfreunde,

wie kam es zu dieser Werkbundsiedlung:

Anfang der 1980er besuchte mich der Grünflächenplaner des Kommunalverbandes Ruhr, Herr Dr. Klausch, mit folgendem Anliegen:
Er sei mit dem Kulturdezernenten der Stadt Dortmund damit beschäftigt, im städtebaulichen Umfeld der leerstehenden Zechen Carl in Essen und Nordstern in Gelsenkirchen eine Landesausstellung zu planen. Da ich am Wettbewerb zur Umnutzung der Zeche Carl teilgenommen hatte, fragte er mich als Vorstandsmitglied ob der Werkbund mit ins Zeitgenössische übersetzten Siedlungsideen wie Hellerau oder der Margarethenhöhe etwas beitragen könnte. Ich sagte zu. In Anlehnung an die prämierte städtebauliche Idee für die Zeche Carl warb ich nun im Werkbund für Mitstreiter. So entstand mit den Architekten-Kollegen Richard Bödecker, Heinz Döhmen, Prof. Wolfgang Meisenheimer, Mirco Schulz, Hanns Uelner und mir für Altenessen die Planungsidee „Stadtmauer“. Das Modell, das Sie im Archiv Ruhnau besichtigen können, zu dem auch der Katalig „Werkbundsiedlung Ruhrgebiet“ gehört, fand bundesweit große Zustimmung, wurde jedoch in Essen wegen Bodebelastungen nicht weiter verfolgt.

Nun sagte Dr. Hans Otto Schulte als Werkbundmitglied und Stadtplanungsdezernent der Stadt Oberhausen, dass er die Idee „Stadtmauer“ auf Alstaden übertragen will. Da das Zechengelände in Alstaden nur halb so groß ist wie das von Zeche Carl, entstand hier die städtebauliche Lösung des des Essener Modells „Stadtmauer“ mit nur einem Innenhof, dem jetzigen „Marktplätzchen“, auf dem wir uns befinden. Dazu veröffentlichte die den Katalog „Werkbundsiedlung Oberhausen-Alstaden“

Dieses Projekt fand in Oberhausen großen Anklang. Nun mussten wir die Interessenten mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Entwürfen eimander zuordnen; zum Beispiel die mit  Keller zusammenlegen. Die Architektin Jasmina Molls mit den Mitarbeitern meines Büros -Georg Ruhnau ist anwesend- meisterte das hervorrragend.

Zu den Bodenbelastungen befragte nun Dr. Hans Otto Schulte den Umweltwissenschaftler Prof. Einbrodt in Aachen. Dieser fand mit unserem Grünplaner, Richard Bödecker, der ebenfalls hier ist, die Lösung, auf der wir nun in Alstaden bauen konnten.

Ertsmalig in der Geschichte des Werkbundes wurde bewußt beim Planen mit allen Beteiligten die Einhaltung von Spielregeln gefordert, die architektonische Endform innerhalb dieser Regeln jedoch offen gelassen. Das Ergebnis dieses Siedler-Baubeispiels unter Berücksichtigung von Fragen zu Ökologie und Mitbestimmung, ist hier seit vielen Jahren zu begehen und zu sehen.

Wie bei jedem Spiel gibt es Mitspieler, Falschspieler und Spielverderber. Dies berücksichtigend, bleibt für mich diese Siedlung die schönste im Land. Spannend wäre es heute mit den Beteiligten zu diskutieren, wer welche Rolle gespielt hat bei diesem Projekt.

Ich danke der Stadt Oberhausen, insbesondere Dr. Hans Otto Schulte, dass er mit uns dieses Wagnis eingeleitet hat, Prof. Roland Günter, dem jetzigen Werkbund-Vorsitzenden, dass er mit Dr. Walfried Pohl diese andere Art von Schönheit anerkennt; meinen Werkbund-Kollegen, von denen auch Heinz Döhmen und Hanns Uelner hier sind, den Baufamilien und ihren Sprechern Rainer Gall und Gerd Vatterot für den Mut, dieses mit Gefahren verbundene Experiment durchgestanden zu haben.
Essen, den 19.Juli 2013
Werner Ruhnau

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Werkbund-Siedlung Oberhausen.

[Der nachfolgende Text wurde zum 20-jährigen Bestehen der Siedlung gehalten, 2013 konnte schon das 30-jährige Jubiläum gefeiert werden]

   Der neue Planungsdezernent von Oberhausen, Dr. Hans Otto Schulte, aus Gaggenau gekommen, hatte kurz nach 1980 die Idee, eine Werkbund-Siedlung zu bauen. Sie sollte ein Beitrag zum Umbruch in Ruhr sein.
   Das Grundstück hat hohen Symbol-Charakter. Es liegt neben dem Ufer der Ruhr. Dieser Fluß war im 18. Jahrhundert ein Welthandels-Weg. Die Schiffe brachten die Kohle aus dem Tal der Ruhr, wo sie zum Teil zutage trat,  zum Rhein und weiter  an den Oberrhein und vor allem zur holländischen Städtekette.
   Die Zeche Alstaden war schon seit einiger Zeit geschlossen. Die Gebäude wurden abgerissen. Es gab Hoffnungen nach neuer Nutzung. So fiel Schultes Idee, eine Werkbund-Siedlung anzulegen, auf halbwegs fruchtbaren Boden.
   Experimentell war zunächst die Idee, dies mit einer Genossenschaft zu tun. Es fand sich ein Kreis von Einheimischen, der sich organisierte.
   Schwierigkeiten gab es zuhauf. Aber Otto Schulte biß sich durch.
   Die Idee, die der Architekt Werner Ruhnau von einem kurz zuvor gescheiterten Versuch in Essen mitbrachte, war  vielen Beteiligten  und dem Stadtparlament fremd. Aber Schulte schuf mit Enthusiasmus und Überzeugunngs-Kraft in vielen Anläufen Akzeptanz. Ruhnau hatte in Ruhr einen Namen – trotzdem war es schwierig.
   Schließlich kaufte die Stadt die Genossenschafts-Anteile.
   Ein Kreis von Werkbund-Architekten plante einen kleinen Stadt-Bereich. Ein Platz. Die Idee einer Art Mauer, die Ruhnau – ein bißchen unsemantisch – „Stadtmauer“ nannte,  mit einer Art offiziellem Gesicht und im rückwärtigen Bereich  eine große Variabilität  an Formen. Über die Krone der „Stadtmauer“ führt ein Weg: erstmal als Zugang zu Penthouse-Wohnungen, dann auch zum Erleben des Viertels  aus der Höhe. Eine Brücke sollte diesen Gebäude-Komplex mit dem zweiten  verbinden.
   Ruhnau sagte Partizipation an. Dies wurde für alle Seiten schwierig. Den Architekten  erschien es als zuviel an Einrede in ihre Autokratie,  die Genossenschaftler hatten das Problem, damit vernünftig umzugehen – auf Egomanien zu verzichten.
   Das Projekt wurde durchgeführt – trotz vielerlei Streit. Ruhnau sagte, bei einem Experiment, das für ihn ein Spiel ist, kann man den Ausgang nicht im vornherein festlegen, man muß akzeptieren, was daraus wird. Das Kriterium der Partizipation  ist wohl das Interessanteste am Projekt – gerade weil es viel kritisiert wurde. Aber es steht für die Mitwirkungswünsche  eines bewegten  Jahrzehnts und für den Mut, dies zu wagen.
   An der auffallendsten Stelle, wo auf dem schwierigen Eckgrundstück längere Zeit niemand bauen wollte,  errichtete  sich ein später hinzukommender Bauherr eine Art mittelalterliche Burg – mit frecher Werkbund-Ferne. Dies wurde dann dem Werkbund nicht wenig um die Ohren gehauen – bis dahin, daß der damalige Werkbund-Vorsitzende Werner Schriefers die Siedlung abstufend zu einem Nicht-Werkbund-Projekt deklarierte.
   Als späterer Vorsitzender  des Werkbunds hob ich 2010 das Verdikt von Schriefers auf und erklärte mit Begründungen, die vor allem Walfried Pohl lieferte, daß dies doch eine Werkbund-Siedlung ist.
   Offensichtlich läuft keine Werkbund-Siedlung ohne Kontroverse.
   Die Genossenschaft feierte im Juli das 20jährige Jubiläum. Ruhnau und Schulte brachten auf dem Platz vor dem Genossenschaftshaus auf einem niedrigen Postament eine Tafel an. 


Zur Werkbundsiedlung

Ein offener Brief von Professor Roland Günter an Prof. Werner Ruhnau über den Status des Experimentes der Werkbundsiedlung.[mehr]