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Zeche Pluto in Herne
1953
wurde über
dem Schacht 3 von Pluto-Wilhelm ein neues
Fördergerüst errichtet.
Wahrscheinlich
ist
der Entwurf das letzte Werk des Architekten Fritz Schupp, an dem er
mit dem Ingenieur Martin Kremmer zusammen arbeitete. Der kongeniale
Martin Kremmer, ein großer Konstrukteur mit fabelhaftem Sinn
für
Ästhetik, kam 1945 in den letzten Kriegstagen in Berlin um.
Pluto
ist ein
Doppelstreben-Bockgerüst.
Kein
Fördergerüst
kann symbolisch besser die Euphorie der Aufbaujahre nach 1945 zeigen.
Es ist eine großartige architektonische Figur in der
Metropol-Landschaft Ruhr. Die meisten Regionen der Welt wären
froh,
wenn sie eine geprägte Gestalt hätten, die so
assoziationsreich
für Stadt und Region steht.
Die
Geschichte
dieser Zeche zeigt auch die gewaltigen Anstrengungen für den
Neuanfang. Der Turm präsentiert sich als ein Symbol, das
janusköpfig
d. h. nach zwei Seiten orientiert ist: Er knüpft an die
größte
Leistung der 1920er Jahre an: mit dem Blick auf Zollverein (1928).
Und zugleich weist er nach vorn: Schaut her! – wir sind
aufgestanden, mit neuer Dynamik, und wir haben Zukunft.
So
etwas darf man
nicht vergessen. Damit würde man der Epoche tiefgreifend
Unrecht
tun. Undankbarkeit blamiert sich selbst. Wer möchte ein
solcher
Täter werden? Die Abriß-Vorstellungen zeigen jedoch,
wie
geschichts-vergessen es zugeht.
Als ob
die
Leistungen von hunderttausenden von Menschen, von Ingenieuren und
Unternehmern unter schwierigen Bedingungen ein Nichts und für
Nichts
gewesen wären. Dafür müßte man
über den Tag hinaus wenigstens
einige sichtbare Dokumente behalten. Tausende solcher Dokumente sind
bereits abgerissen. Was noch steht, ist nur ein kleiner Bruchteil,
ist nur minimal – aber umso mehr verdient es, stehen zu
bleiben.
Für die Nachkommenden – damit sie ahnen, auf wessen
Schultern sie
stehen.
Ein
Symbol ist nach
den Maßstäben einer krankhaft verengten
Betriebswirtschaft immer
unrentabel. Aber dies ist ein gewaltiger Irrtum. Tatsächlich
aber
ist es hoch rentabel. Zum Vergleich: Der Kölner Dom kostet und
kostet und kostet – er ist die unrentabelste Sache in
Nordrhein-Westfalen, aber er leistet leistet leistet –
unbezahlbare
Gefühle an Identität von Millionen –
für jedweden Menschen,
auch wenn er zu keiner Konfession gehört. Er ist
längst über seine
ursprüngliche Konfession hinaus gewachsen. Dies ist ein
unbezahlbarer Wert.
Das
müssten Leute
verstehen, die auch nur minimal etwas mit Werbung für
Produkte,
Institutionen, Städte und Aufgaben zu tun haben.
Der
Bergbau hat in
der Landschaft über lange Zeiten hinweg nicht wenig verdient.
Er
hat vielen Menschen Einkommen geschaffen, manchen sogar erhebliche.
Menschen und Natur brachten dafür viele Opfer. Die RAG kann
sich
aus der „Sache Pluto“nicht unterweltlich
herausreden. Es könnte
sonst auch sein, daß an ihr, unter diesem und anderen Namen,
ein
Höllen-Image hängen bleibt. Das Image einer
Undankbarkeit, die die
Würde der Vergangenheit mit ihren Millionen Menschen
mißachtet.
Emotionalisiere
ich? Nein – ich nicht, sondern die
„Pluto“ und die Geschichte
der Region sind aus der Sache heraus mit immensen Gefühlen
beladen.
Was denn sonst? Es geht um die Würde der Geschichte.
In
Italien könnte
man nicht sagen, es gäbe bereits einige
archäologische Stätten,
dies solle genügen. Jedoch: Kultur ist stets vieles mehr.
Aber: Eine
Qualität wie die Zeche Pluto abzureißen,
gehört nicht zur Kultur,
sondern zum Vandalismus.
Das
Fördergerüst
ist eines der schönsten in Ruhr. Er ist weithin sichtbar. Und
es
fällt vor allem durch seine großartige Gestaltung
auf. Es ist
ästhetisch das zweitschönste in Ruhr - nach dem Turm
der Zeche
Zollverein, der zum Weltkulturerbe gehört.
Der
Turm steht
unter Denkmalschutz. Es muß selbstverständlich sein,
daß dieser
Schutz nicht mit Vordergründigkeiten, die uns schon nach zehn
Jahren bitter reuen, sondern daß dieser Schutz greift.
Man
darf nicht
willkürlich oder nach einem sehr engen Gesichtspunkt einfach
abreißen.
Der
Umgang mit
dieser Landschaft, die durch Bergbau und einiges dazu in
äußerster
Weise verändert wurde, erfordert eine besonders hohe
Verantwortung in der Zeit nach der unmittelbaren Nutzung. Diese
Landschaft wurde in
einem Ausmaß zur Ausbeutung übergeben –
unterhöhlt mit einem
Labyrinth von unterirdischen Gängen, abgesunken, mit ihrer
Wasserhaltung und ihrer gesamten Ökologie zerstört,
daß man
zumindest jetzt so umsichtig wie irgend möglich damit umgehen
muß.
Hier ist nicht mehr alles möglich. Die sogenannten Controler,
die
nicht inhaltlich denken können, sondern eine Reduktion auf
Zahlen
als neuen Glauben darstellen, dürfen Werte, die sie nicht
begreifen,
nicht - wie häufig geschehen - mit dem Bagger
zerstören.
Die
Gemeinschaft
hat über Subventionen Jahrzehnte lang ungeheure Summen in den
Bergbau gesteckt. Sie muß erwarten können,
daß die RAG dafür
dankbar ist und es mit besonderer Rücksichtnahme honoriert.
Ein
Abriß würde sie an den Pranger der Geschichte
stellen.
Alle
Institutionen
sind aufgefordert, sich gegen weitere Zerstörung zu wehren.
Wir
sind am Ende
der Zumutbarkeiten angelangt.
Prof.
Dr. habil
Roland Günter
Lebt
vorwiegend in
Eisenheim, gerettet durch lange, ganz ähnliche Diskussionen.
Zur
Zeche Pluto
gibt es eine große Breite an Literatur.

Brief der SPD vom 01 Juni 2016 Betreff: Fördergerüst
auf der ehemaligen Schachtanlage Pluto Wilhelm
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